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Montag, 14. März 2022

[Rezension] Monster auf der Couch: Der rätselhafte Fall der verschwundenen Psychologin von Mats Strandberg & Jenny Jägerfeld

Hallo ihr Lieben,

als ich die Neuerscheinung "Monster auf der Couch" gesehen habe, hat mich schon die Idee dahinter direkt schmunzeln lassen. Monster aus der Weltliteratur gehen zur Therapie, um ihre Probleme aufzuarbeiten? Genial! Ob die Umsetzung gelungen ist, erfahrt ihr jetzt - viel Spaß bei meiner Rezension!


Autoren: Mats Strandberg & Jenny Jägerfeld
Erscheinungsdatum: 14.03.2022
Einzelband
Kategorie: Roman/ Fantasy
464 Seiten
Gebundene Ausgabe 20,00€ (D)
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*Dieses Buch hat mir der Penhaligon Verlag für eine Leserunde auf Lovelybooks freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt natürlich vollkommen ehrlich.*


Der bipolare Doktor Jekyll, die polyamoröse Vampirin Carmilla, der Narzisst Dorian Gray und Familie Frankenstein bekommen, was sie brauchen: eine Therapie!

Eine Psychologin verschwindet spurlos – in ihrem verlassenen Büro findet die Polizei Akten über ihre Patienten: Dr. Jekyll, Dorian Gray, Carmilla und Viktor Frankenstein. Ist es möglich, dass die zum Leben erwachten Figuren der Schauerliteratur tatsächlich in Therapie sind? Welche Geheimnisse hat die Psychologin über sie herausgefunden? Warum befinden sich Blutspritzer auf den Dokumenten? Und wollte die Verschwundene tatsächlich ein Buch mit dem Titel »Monster auf der 
Couch« schreiben? Nur wer die Akten der Psychologin durchstöbert, kann dem Mysterium ihres Verschwindens auf den Grund gehen und wird belohnt mit schauderhaftem Wissen: nämlich was uns Menschen zu Monstern macht – und Monster zu Menschen... (
penguinrandomhouse.de/ März2022)



Von der Gestaltung lebt dieses Buch! Bereits das Cover ist durch verschiedene Oberflächenstrukturen schon ein haptisches Erlebnis, und innen geht es mindestens so schön weiter. Es wechseln sich Sitzungsprotokolle mit witzigen Randnotizen, Einträge im Arbeitsheft mit E-Mails und auch Zeichnungen ab. Optisch gibt es hier viele liebevolle Details zu entdecken, sodass das Lesen nie langweilig wurde. Ein kleines bisschen hat es mich dadurch an "Die Illuminae Akten" erinnert, aber tatsächlich nur vom Aufbau der Geschichte. Wer gerne solche besonderen Aufmachungen und Erzählweisen mag, der könnte hier etwas für seine Sammlung gefunden haben.


Zu Beginn der Geschichte erfahren wir, dass die Psychologin, deren Unterlagen wir hier durchsehen, spurlos verschwunden ist, während sie an dem Buch "Monster auf der Couch" gearbeitet hat. Die Akten enthüllen Therapieverläufe von einigen der berühmtesten Monstern aus der Literatur: Frankenstein und sein Monster, Dorian Gray, Vampirin Carmilla sowie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Jeweils drei Sitzungen sind ausführlich protokolliert, zudem hat die Psychologin diese kommentiert und in ihrem Arbeitsheft reflektiert. Immer wieder begegnen uns auch einige Notizen zur Recherche, wie etwa Begriffsdefintionen und Zeitungsartikel. Alles mit dem Ziel, am Ende zu erfahren, wieso die Psychologin verschwunden ist.

  

Wie bereits erwähnt, hat es mir die Ausgangsidee dieses Buches sofort angetan. Ich bin selber Psychologin, weshalb ich direkt große Lust hatte, mich in diese Situation gedanklich fallenzulassen. Neben dem Kennenlernen der monströsen und weniger monströsen Persönlichkeiten habe ich tatsächlich auch viele Elemente aus der Gesprächsführung der Psychologin für mich reflektiert. Da Autorin Jenny Jägerfeld ebenfalls Psychologin ist, waren viele Einflüsse in diesem fiktionalen Werk dennoch gut begründet und authentisch dargestellt.
Ich bin erstaunlich leicht in das Erkunden der Akten hineingekommen und habe insbesondere die Akte von "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" zu Anfang sehr genossen. Die Autoren haben die richtige Balance zwischen ernsthaften Therapiegesprächen und Auflockerung durch die Absurdität, wer da vor einem sitzt, getroffen. Die Psychologin nimmt sich häufig selber nicht zu ernst und ergänzt die Protokolle mit neckischen Selbstvorwürfen oder Fragen zur vertieften Exploration. Weiter geht es anschließend mit Vampirin Carmilla und ihrer Geliebten, Fräulein Laura. Obwohl ich hier vor dem Lesen nicht einmal wusste, welche literarische Vorlage hier als Vorbild gedient hat, fand ich auch diese sehr amüsant und spannend. So ging es mir leider nicht bei allen Fällen. Die Therapie von Familie Frankenstein habe ich mir etwas spannender vorgestellt, hier war alles bereits recht vorhersehbar. Da die Autoren recht dicht an den Originalgeschichten geblieben sind, hat es zu keiner Zeit gestört, dass ich manche Vorlagen nicht kannte, sie wurden mir hier nahe gebracht.

Mehrere kleinere Kritikpunkte sind mir während des Lesens aufgefallen. Die Aktenform des Buches birgt den Nachteil, dass die Figur der Psychologin ein bisschen blass bleibt. Wir erfahren ein paar Details aus ihrem Leben durch die E-Mails an ihre Supervisorin und aus ihren Arbeitsheften, z. B. dass sie schwanger ist, in einer lesbischen Beziehung lebt und auch selber einige Paarprobleme hat. Doch viel mehr wird es im Laufe der Geschichte nicht mehr, was ich manchmal schade gefunden habe. Vielleicht hätten einige erzählende Sequenzen oder Dialoge mit der Partnerin ihren Alltag noch etwas greifbarer gemacht. Drei Sitzungen mit den jeweiligen Monstern empfand ich als einen angemessenen Umfang, tief genug in die Problematiken einzusteigen, ohne dass es langweilig wurde. Dennoch war am Ende ein bisschen die Luft raus, weil der Ablauf doch immer ähnlich war. Vielleicht hätte dem Buch ein Fall weniger gut getan, da würde ich sofort für Familie Frankenstein plädieren.

Der größte Kritikpunkt liegt für mich im irreführenden Marketing des Buches. Mal abgesehen davon, da
ss Dr. Jekyll nicht bipolar ist, wie die Überschrift des Klappentextes verlauten lässt, ist der Untertitel "
Der rätselhafte Fall der verschwundenen Psychologin" unpassend gewählt. Meines Erachtens nach weckt dies den Wunsch danach, miträtseln zu können und am Ende zu erfahren, was der Psychologin zugestoßen ist. Das gibt es hier nicht (!) Wir bekommen im Laufe der Geschichte keine Hinweise darauf, wer für das Verschwinden verantwortlich ist, und am Ende nur wage Ideen zur Interpretation des ganzen. Das tut dem Leseerlebnis vielleicht einen Abbruch, wenn man mit anderen Erwartungen an die Geschichte herangeht, zumindest hat sich das in unserer Leserunde gezeigt.


Insgesamt liegt "Monster auf der Couch" für mich im Mittelfeld, da ich viele Dinge sehr genossen habe. Ich mochte die Aufmachung, den Witz der Randnotizen, und dass sich die Autoren teilweise selber auf die Schippe nehmen. Die Idee des "Buches im Buch" und die Therapien der Monster sind tolle Kniffe, die im Buch gute Ansätze verfolgt haben und teilweise auch in die Tiefe gingen.
Ich weiß nicht, ob auch fachfremde Leser*innen so viel Freude an den teilweise komplexen psychologischen Theorien und wissenschaftlichen Fakten haben, aber für mich war das genau das richtige. Wenn man darüber hinwegsehen kann, dass es hier keine Krimianteile gibt, ist das Buch ein schönes, humorvolles Lesevergnügen, bei dem "das Auge mitliest".

Alles Liebe