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Montag, 12. Dezember 2022

[Rezension] Anatomy - Eine Liebesgeschichte von Dana Schwartz

Hallo ihr Lieben,

jetzt, wo es dunkel und kalt draußen ist, lese ich unheimlich gerne auch düstere Bücher mit schaurigen Settings. Da bietet das historische Edinburgh Anfang des 19. Jahrhunderts in "Anatomy" keine Ausnahme. Viel Spaß bei meiner Rezension!


Autorin: Dana Schwartz
Originalsprache: Englisch
Übersetzerin: Cornelia Röser
Kategorie: Jugendbuch
Ab 14 Jahren
Einzelband
384 Seiten
Broschierte Ausgabe 16,95€ (D), Kindle Edition 9,99€ (D)
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*Dieses Buch hat mir der Loewe Verlag im Rahmen einer Leserunde freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt natürlich vollkommen ehrlich.*

  • Tauche ein ins Edinburgh des Jahres 1817!

    Eine Stadt, infiziert mit Geheimnissen. Und eine junge Frau, die sie seziert.

    Lady Hazel Sinnett möchte unbedingt Chirurgin werden – was für sie als Frau jedoch unmöglich ist. Bis der Dozent Dr. Beecham sich auf einen Deal einlässt: Wenn sie die medizinische Prüfung ohne Unterricht besteht, darf sie bei ihm studieren. Zum Glück trifft die junge Frau auf Jack Currer – einen Auferstehungsmann, der Leichen ausgräbt und sie zu Lehrzwecken verkauft. Jack hilft Hazel nicht nur beim Lernen, sondern weckt auch ungeahnte Gefühle in ihr. Als sie an den Toten immer mehr Besonderheiten entdecken, finden sich die beiden plötzlich in einem Netz aus Geheimnissen und Intrigen wieder… (Quelle: loewe-verlag.de/Dezember2022)



  • "Anatomy" ist tatsächlich vor allem wegen seines Covers auf meiner Wunschliste gelandet. Ich lese ja sehr wenig Bücher im historischen Setting und meistens ziehen mich Geschichten dieser Art nicht unbedingt an. In Kombination mit diesem smarten Cover und der Medizin Thematik hat es mich aber sehr gereizt. Ich bin froh, dass der Loewe Verlag das Originalcover übernommen hat, eine bessere Gestaltung gibt es für diese Geschichte nicht. Das optische Spiel aus dem organischen Herz und dem Kleid der jungen Frau könnte Hazels Leben nicht besser zusammenfassen. Ich hoffe, dass sehr viele Menschen auf dieses Cover aufmerksam werden und dadurch die tolle Geschichte im Inneren entdecken können.



Hazel Sinnett hat eine klare Bestimmung: Als junge Frau im heiratsfähigen Alter soll sie mit ihrem Cousin Bernard verlobt werden, um eine Absicherung für die Zukunft zu haben. Doch statt sich auf Tänze und Teeveranstaltungen zu begeben, steht Hazel lieber am Seziertisch. Sie ist vernarrt in alle medizinischen Werke, die ihr in die Finger kommen, und träumt von einer Karriere als Chirurgin. Als in Edinburgh mehrere Leichen auftauchen, die keines natürlichen Todes gestorben sind, gerät Hazel in gefährliche Machenschaften hinein...




Wir werden mit dieser Geschichte in das Edinburgh des 19. Jahrhunderts, genauer ins Jahr 1817 zurück katapultiert, und ich finde dessen sollte man sich bewusst sein. Im Rückblick bin ich doch etwas erschrocken darüber, dass dieses Buch ab 14 Jahren empfohlen wird. Wir haben es nicht nur mit einem wirklich schaurigen Setting zu tun, in dem wir uns mit Hazel und Jack auf Friedhöfen und in dunklen Gassen herumtreiben. Die Autorin erschafft ein sehr realistisches Abbild dieser Zeit, und zwar mit allen Sinnen. Ich hatte das Gefühl, das brackige Abwasser und die Ausscheidungen riechen zu können. Ebenso bildhaft werden Szenen geschildert, in denen Leichen ausgegraben, seziert und Menschen operiert werden. Das war für meine Nerven schon manchmal sehr an der Grenze zum Erträglichen. Der Autorin sei dies natürlich zu Gute gehalten, aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt.

Nicht nur die Schauplätze der Geschichte sind originell, die Autorin bringt hier viele Themen in smarter Art und Weise zusammen. Hazels unkonventionelles Hobby, an Fröschen zu experimentieren und Leichen zu sezieren, ist sehr erfrischend und in Anbetracht der Zeit sehr umstritten. Ihre Mutter und ihr Cousin Bernard wissen davon und beide fürchten dadurch um Hazels Stellung in der Gesellschaft. Doch Hazel lässt sich davon nicht beeindrucken und findet Mittel und Wege, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Hier haben wir es mit spannenden feministischen Ideen zu tun, die erschreckenderweise einige Parallelen zu unserer heutigen Zeit haben. Obwohl bedeutende Mediziner anerkennen, dass Hazel Talent hat und einen super Job machen wird, werden ihr Karrierechancen aufgrund ihres Geschlechts verwehrt.

Wir erleben hier aber auch die besser gestellten Familien, die vor allem durch Bernard repräsentiert wird, der mit dem Wildfang Hazel doch recht überfordert ist. Leichenräuber Jack ist der Inbegriff der Armen, und bringt einen Klassenkonflikt ins Spiel, der hier ebenfalls Raum bekommt. Als wäre das nicht schon genug, werden durch die Leichenraube und medizinischen Experimente auch Thrillerelemente eingewoben, die für ordentlich Spannung und Potenzial zum Miträtseln sorgen. 
So haben wir es trotz der gar nicht so vielen Seiten des Buches mit vielen spannenden Aspekten zu tun, die die Autorin hier verbindet.

Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht von Hazel und Jack erzählt. Es ist jedoch so, dass deutlich mehr Kapitel aus Hazels Sichtweise geschildert werden und Jack ab der Hälfte des Buches mehr Raum einnimmt, wenn er und Hazel mehr Zeit miteinander verbringen. Durchbrochen ist dies von schwarzen Seiten, auf denen kleine Ausschnitte aus medizinischen Abhandlungen, Zeitungsartikeln oder Briefen abgedruckt sind. Das war ein richtig schönes Detail und wurde sparsam eingebracht.
Ich empfand die gesamte Geschichte als sehr spannend. Manchmal hat es mich nicht so sehr zum Buch gezogen, aber wenn ich dazu gegriffen habe, war ich direkt wieder vollends in der Geschichte gefangen. Besonders das letzte Drittel bietet nochmal sehr viel Action und Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Einige Aspekte konnte ich erahnen, andere sorgten wir tolle Überraschungsmomente und machten das Buch zu einem Pageturner.

Die Figuren, allen voran Hazel, haben mir auch richtig gut gefallen. Die Autorin hat allen eine starke Persönlichkeit verliehen, sodass ich entweder starke Sympathie oder Antipathie verspürt habe. Hazel ist eine absolute Vorbildfigur und hat mir mit ihrem starken Willen sehr gefallen. Als sie bemerkt, dass sie von ihrem Umfeld keine Unterstützung für ihre Pläne bekommt, kommt sie auf eigene Faust weiter und ist dabei immer wohlüberlegt und intelligent. Sie erkennt aber auch ihre Grenzen und zweifelt manchmal an ihren Fähigkeiten, was ich äußerst authentisch fand. Durch ihre große Präsenz rückt Jack als männlicher Protagonist eher in den Hintergrund, was ich aber mal ganz erfrischend fand. Er wird eher ruhig und teilweise ängstlich dargestellt und bewundert Hazel, was ich sehr rührend zu lesen fand.
Wen ich gar nicht leiden konnte, war beispielsweise Hazels Mutter. Sie will natürlich nur das beste für ihre Tochter und drängt auf eine schnelle Hochzeit, aber die Art und Weise, wie sie mit Hazel umgegangen ist, widerstrebt mir immernoch.
Ein nettes Detail war für mich, dass die Figuren optisch nicht, wie so oft, wunderschön und makellos beschrieben werden. Jack beschreibt Hazel nicht als Naturschönheit, sondern erkennt auch Makel an. Ebenso scheint Jack mit einer eher hageren Statur nicht dem Idealbild eines kräftigen Mannes zu entsprechen. Solche realistischen Figurenbeschreibungen würde ich mir auch häufiger in den modernen Romances wünschen.


Die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten hatte ich etwas mehr im Fokus der Geschichte vermutet, da sie im Untertitel erwähnt wird. Für mich stand sie letztendlich eher an zweiter Stelle hinter Hazels Chirurginnen Karriere, was ich aber gar nicht schlimm fand. Die Autorin hat die zarten Gefühle der beiden zueinander miterzählt, ohne dies zu sehr aufzubauschen oder künstlich wirken zu lassen. Ich habe die Verbindung zwischen den beiden wirklich gespürt, und das eher zwischen den Zeilen als mit dem Holzhammer.

Das Ende war rasant und die Auflösung eine Klasse für sich. Für meinen Geschmack waren Teile der finalen Auflösung ein bisschen zu viel des Guten und haben sich meiner Vorstellungskraft entzogen. Ich hätte mit einem etwas weniger krassen Ende sehr gut leben können, da es hier schon fast in eine Art Fantasy abdriftet. Dennoch hat mich die Geschichte begeistert zurückgelassen und ich werde sicherlich noch eine Weile an Hazel zurückdenken.



"Anatomy" ist eine bunte Mischung aus verschiedensten Themen und auch Genres, die mir ausgesprochen gut gefallen hat. Wir haben es mit einer vorbildlichen starken Protagonistin zu tun, die alles dafür tut, um gegen alle Regeln Chirurgin zu werden. Jack gibt uns Einblicke in die Leichenraube der damaligen Zeit und macht deutlich, welchen starken Klassenunterschiede geherrscht haben. So haben wir hier eine interessante Geschichte aus Selbstfindung, Liebesgeschichte, Feminismus und Thriller. Ich kann das Buch auch Lesern empfehlen, die sonst nicht so viel im historischen Bereich unterwegs sind. Die Geschichte kann mit ihrer Vielfältigkeit überzeugen, sodass für jeden etwas dabei ist.


Alles Liebe

Vielen herzlichen Dank an den Loewe Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!