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Dienstag, 9. Mai 2023

[Rezension] Last night at the Telegraph Club von Malinda Lo

Hallo ihr Lieben,

heute melde ich mich mit einer Rezension zurück, die mir besonders am Herzen liegt. "Last night at the Telegraph Club" hat mich tief bewegt und auch jetzt, einige Zeit nach dem Lesen, noch nicht losgelassen. Warum die Geschichte so besonders für mich war erfahrt ihr nun, viel Spaß!


Autorin: Malinda Lo
Originalsprache: Englisch
Kategorie: Jugendbuch/ Coming of Age-Roman
Ab 14 Jahren
448 Seiten
Gebundene Ausgabe 19,00€ (D), e-Book 12,99€ (D)
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*Dieses Buch hat mir der dtv Verlag freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt vollkommen ehrlich.*



Als Lily Kathleen kennenlernt, wird ihr bald klar, dass sie sich nicht nur freundschaftlich zueinander hingezogen fühlen. Doch das Amerika des Jahres 1954 ist kein sicherer Ort für zwei Mädchen, die sich verlieben, schon gar nicht in Chinatown (Quelle: dtv.de/Mai2023).



Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich bin zwar nicht auf TikTok und habe das Buch nicht dort entdeckt, aber als ich es in der Verlagsvorschau gesehen habe, war es um mich geschehen. Das Cover vermittelt für mich den Charme Chinatowns, das Verführerische des Nachtlebens und die verbotene Liebe der beiden Mädchen. Die Farbkombination aus Rot- und Blautönen sorgt für eine wunderbare Atmosphäre, die ich genau so im Buch wiederfinden konnte. Wunderschön, innen wie außen.

 

Lily ist in den 1950ern wohlbehütet in Chinatown, San Francisco aufgewachsen und träumt von einer Karriere in der Raumfahrt. Doch ihre Welt stellt sich völlig auf den Kopf, als sie das Bild einer Herrenimitatorin findet und dieses ungeahnte Sehnsüchte in Lily weckt. Als ihre Mitschülerin Kath ihr verrät, wo die besagte Dame zu finden ist, betreten die beiden im Telegraph Club eine vollkommen fremde Welt und bringen sich damit leider auch in große Gefahr...



Wo fange ich am besten an? Dieses Buch fällt auf den ersten Blick gar nicht zu 100% in mein Beuteschema, da ich mich in historische Settings oftmals nicht so gut hineinversetzen kann. Die 50er Jahre haben allerdings einen gewissen Reiz für mich, ebenso wie San Francisco als Setting. Mit chinesisch-amerikanischen Personen hatte ich bisher keinerlei Berührungspunkte und war gespannt, wie viel Raum das Thema hier in der Geschichte einnehmen würde.

Die Autorin hat eine unfassbare Gabe zu schreiben und dabei die Leser*innen in andere Welten zu katapultieren. Ich war ab Seite Eins in den 50ern gefangen und habe alle Beschreibungen bildlich vor mir gehabt. Besonders die Stadt ist sehr lebendig geworden, Chinatown mit den kleinen Geschäften und Restaurants, wo jeder jeden kennt. Und umliegend die anderen Viertel, in denen sich unter anderem das Nachtleben abspielt. Die Geschichte lebt von dieser Atmosphäre, und ist dabei voller Informationen, sodass ich wirklich viel gelernt habe. Sei es über das Frauenbild dieser Zeit, die Ächtung von Homosexualität oder wie es sich für Lilys Familie anfühlt, als Einwanderer in den USA zu leben.

Damit komme ich schon zu einem weiteren Punkt, der mich überrascht und begeistert hat. Wir bekommen die Geschichte hauptsächlich aus Lilys Perspektive erzählt, doch einige Male kommen auch andere Frauen ihrer Familie zu Wort. Da wäre einmal ihre Mutter, von der wir erfahren, wie sie Lilys Vater kennenlernte und wie sie sich in ihrer Jugend durchschlagen musste. Oder auch Lilys Tante Judy, die als Wissenschaftlerin einen eher unkonventionellen beruflichen Weg für die damalige Zeit gewählt hat. Diese Perspektivwechsel haben der Geschichte nochmal etwas besonderes gegeben und mir tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelten ermöglicht. Angekündigt werden diese Sprünge über einen Zeitstrahl, der uns die zeitliche Einordnung erleichtert.

Das Herzstück der Geschichte ist die Annäherung zwischen Lily und Kath in ganz klassischer Coming of Age-Tradition, und gerade auch nicht. Würde ihre Geschichte in unserer heutigen Zeit spielen, wäre sie ebenfalls zauberhaft zu lesen, aber weniger dramatisch. Denn in den 50er Jahren war die Liebe zwischen zwei Frauen in der Gesellschaft noch fernab jeder Normalität. Deshalb ist der Telegraph Club ihr Dreh- und Angelpunkt, wo sie ihre Gefühle ergründen können und andere Frauen kennenlernen, die ebenso fühlen wie sie.
Lily als Protagonistin habe ich mich sehr nah gefühlt und fand es so interessant zu lesen, wie sie sich nach und nach verstehen lernt und dann auch trotz der Folgen sehr für sich einsteht. Sie weiß anfangs selbst noch nicht genau, was sie möchte und fühlt, aber macht dabei eine riesige Entwicklung durch.
Kath habe ich auch direkt in mein Herz geschlossen als sie Lily auf der Mädchentoilette vom Telegraph Club erzählt hat. Sie ist so ein besonnenes, geduldiges Mädchen, das Lily die Zeit gibt, sich über ihre Gefühle klar zu werden.
Selbst die Nebenfiguren bekommen hier sehr viel Persönlichkeit, ich muss immernoch an Lilys Kindheitsfreundin Shirley zurückdenken, die so viele Facetten von sich gezeigt hat, und mit der ich trotz ihrer Fehler mitleiden musste. Hier hat jeder Charakter Raum für seine eigene Geschichte bekommen.

Das Ende hat mir ein bisschen das Herz gebrochen und trotzdem Mut gemacht. Ich war froh, dass die Autorin sich gegen ein Zuckerwatte-Ende entschieden hat, zu viel Kitsch hätte einfach nicht gepasst. Besonders gut fand ich noch die Anmerkungen im Nachwort hinten im Buch, wo die Autorin nochmal einige Informationen zu den Kernthemen der Geschichte schildert und Lilys Erzählung einbettet. 



"Last night at the Telegraph Club" hat mich in die 50er Jahre entführt und aufgezeigt, welche Sonnen- und Schattenseiten diese Zeit hatte. Ich habe es geliebt, mit Lily durch die Straßen San Franciscos zu laufen, habe aber auch sehr mit ihr gelitten, als sie ihren eigenen, steinigen Weg eingeschlagen hat. Ein sehr gesellschaftskritisches, emotionales Jugendbuch, das ich jedem empfehlen kann.



Alles Liebe





  Vielen herzlichen Dank an den dtv Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!