Freitag, 4. Februar 2022

[Rezension] Flucht von Mike Landin

Hallo ihr Lieben,

nachdem mich der Autor Mike Landin mit seinem Debüt "Rote Tränen" 2020 absolut begeistert hat, war ich umso gespannter auf weitere Romane des Autors. Nun ist endlich "Flucht" erschienen und ich möchte euch gerne meine Meinung dazu berichten. Viel Spaß!

Autor: Mike Landin 
Erscheinungsdatum: 10.01.2022
Verlag: Books on Demand (Selfpublished)
Einzelband
Genre: Roman
330 Seiten
Taschenbuch 10,99€ (D), Kindle Edition 3,99€ (D)
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*Dieses Buch hat mir der Autor freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt natürlich vollkommen ehrlich.*



Trister DDR-Alltag Ende der 1970-er Jahre. Von der Freundin verlassen, ertränkt der junge Journalist Martin seinen Frust im Alkohol. Doch dann zwingen ihn eine schicksalhafte Begegnung, ein ungewolltes Versprechen und eine neue Liebe zu einer Odyssee durch die Zeit. Erst vier Jahrzehnte später, als ein junger Mann vor zwei einsamen Gräbern steht, findet diese ein Ende. Martin ist da schon seit vielen Jahren tot (Quelle: BoD.de/Februar2022).


Die Gestaltung des Buches ist so wie bei "Rote Tränen" wieder sehr gelungen. Der Autor lässt sich für die Cover wirklich was einfallen, sodass sie ästhetisch sind und zur Geschichte passen. Hier gefällt mir besonders gut der Kontrast zwischen der öden Straße und dem knalligen Rot des Titels. Es fängt die Stimmung des Spannungsromans sehr gut ein.
 


Die Geschichte spielt auf mehreren Zeitebenen. Während wir 1979 in der DDR das Leben des Journalisten Martin begleiten, gibt es zudem die Perspektive eines Mannes im Jahr 2021. Wie die beiden Zeitstränge zusammengehören, wissen wir lange Zeit nicht.
Martin besucht im Auftrag der Presse gemeinsam mit seinem Kollegen das Gefängnis in Bautzen und trifft dort auf seinen Jugendfreund Frank. Dieser bittet ihn, seine Tochter Delphine "raus zu bringen". Martin gibt ihm das Versprechen und bekommt den Gedanken über Jahre nicht mehr aus dem Kopf, sodass er gemeinsam mit einigen Verbündeten die Flucht aus der DDR plant.
Doch kann dieses riskante Unterfangen zu einem guten Ende führen?



Es gibt über die deutsche Geschichte Bücher wie Sand am Meer und auch über die innerdeutsche Teilung zahlreiche Romane, Erfahrungsberichte und Abhandlungen. Auch, wenn ich in den letzten Jahren kaum noch Bücher mit historischem Setting lese, wollte ich dem Buch gerne eine Chance geben.
Mit "Rote Tränen" hat mich Mike Landin mit seiner wunderbaren Sprache so überzeugt, dass ich gerne noch etwas aus seiner Feder lesen wollte.

Die Geschichte beginnt geheimnisvoll und spannend. Im Jahr 2021 begibt sich ein für uns Leser*innen unbekannter Mann auf einen einsamen Friedhof, um etwas zu suchen. 1979 macht sich Martin auf ins Bautzener Gefängnis. Ich war die ganze Zeit getrieben davon, zu erfahren, wie die unterschiedlichen Zeiten miteinander verwoben sind. Deswegen habe ich am ersten Leseabend direkt 150 Seiten am Stück inhaliert.

Die Sprache des Autors ist wieder einmalig toll und für mich wirklich ein außergewöhnliches Talent. Er schafft es, die Umgebung zum Leben zu erwecken, ganz viel Atmosphäre aufzubauen und die Spannung permanent oben zu halten. In Bezug auf den Schreibstil möchte ich unbedingt alle Bücher des Autors lesen, ganz unabhängig vom Thema. Die Bezeichnung "Spannungsroman" passt ausgesprochen gut zur Geschichte, da das Thema der DDR Flucht hier besonders dynamisch und teilweise Krimi-artig behandelt wird.

Der Autor hat hier alles richtig gemacht und einen spannenden Aufbau für das Buch gewählt. Wir begleiten Martin über mehrere Jahrzehnte, was sehr anschaulich zeigt, wie aufwendig die Planung und Umsetzung einer solchen DDR Flucht gewesen sein muss, voller Angst und Zweifel. Besonders die Grenzanlagen werden eindrücklich beschrieben und spielen natürlich eine wichtige Rolle. Als nach zwei Dritteln des Buches allmählich klar wird, wie die DDR Flucht mit der Geschichte des Mannes in 2021 verbunden ist, kam nochmal richtig Spannung auf und die Fäden wurden sehr originell zusammengeführt. 

Das einzige Manko für mich, und da kann nicht mal der Autor etwas für, ist, dass ich gemerkt habe, dass mich DDR Geschichten nicht mehr so packen können. Durch die ausführliche Behandlung der Thematik in der Schule, anderen Büchern und Filmen und meinen Wohnort an der Grenze ist mir diese Zeit so präsent, dass ich nicht vollständig in die Geschichte eintauchen konnte. Die bedrückende, beschwerliche Vorbereitung der Flucht ist rübergekommen, aber ich wollte manchmal vor allem, dass es vorangeht. Das ist mir im Laufe der Geschichte immer wieder aufgefallen und hat mir gezeigt, dass das aktuell nicht mehr so meine Lektüre ist. Ganz abgesehen davon bietet dieses Buch aber eine sehr spannende, originelle Sicht auf dieses Thema und kann mit einer sehr guten Umsetzung glänzen.

Die Figuren haben mir wieder sehr gut gefallen. Martin ist zu Anfang der Geschichte etwas ziellos und bekommt durch Franks "Auftrag" wieder eine neue Richtung für sein Leben. Gemeinsam mit seinem Cousin Claus und später auch Fluchthelferin Paula denkt er sich einen ausgeklügelten Plan aus. Wenn Delphine 18 Jahre alt ist, kommt auch sie zu Wort und bringt die Facette einer jungen, schwangeren Frau in DDR Zeiten mit hinein. Besonders ihre Perspektive fand ich sehr aufschlussreich und packend. Da wir die Figuren alle über einen sehr langen Zeitraum begleiten, habe ich eine enge Verbindung zu einigen aufbauen können, was Mike Landin auch schon in "Rote Tränen" sehr gut gelungen ist.

Das Ende hat mich gleichermaßen erschüttert und zufriedengestellt. Ich persönlich mag es, wenn am Ende eines Buches nicht alles zu perfekt ist, und den Ausgang der Flucht in diesem Buch halte ich für realistisch. Ich habe das Buch zugeklappt und noch einige Zeit über Delphine und Martin nachgedacht.  



Mike Landin hat mit "Flucht" einen sehr gelungenen Spannungsroman geschrieben, der mit viel Dynamik, plastischen Figuren und einer schönen Erzählweise auf zwei Zeitebenen begeistern kann. Ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Jahren zum Muffel geworden bin, was historische Settings angeht, aber wer Lust auf eine DDR Geschichte hat, der sollte sich dieses Buch unbedingt genauer ansehen.

Alles Liebe






Vielen Dank an Autor Mike Landin für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!